Persönliches Erscheinen vor Gerichten – was heisst das für juristische Personen?
In Verfahren vor Schlichtungsbehörden, mitunter auch vor ordentlichen Gerichten wird häufig persönliches Erscheinen der Parteien verlangt.
Bei natürlichen Personen ist klar, was das bedeutet. Sie müssen persönlich vor Gericht erscheinen, mit oder ohne Anwalt. Bei juristischen Personen ist die Frage etwas komplexer. Das Bundesgericht hat kürzlich (und durchaus überraschend) entschieden, es genüge nicht, wenn eine juristische Person irgendeinen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mit Vollmacht zur Verhandlung schicke; ausreichend sei nur, wenn entweder ein im Handelsregister eingetragenes Organ (Verwaltungsrat, Geschäftsführer, Direktor), ein im Handelsregister eingetragener Prokurist oder ein – im Handelsregister nicht eintragbarer Handlungsbevollmächtigter – im Sinne von Art. 462 OR erscheine (BGE 141 III 159 ff.).
Das Bundesgericht hat festgehalten, dass ein Mitarbeiter, dem bloss für eine konkrete Gerichtsverhandlung die Vollmacht erteilt wird, nicht bereits ein Handlungsbevollmächtigter ist. Handlungsbevollmächtigter ist nur, wer (ohne Erteilung der Prokura) zum Betrieb des ganzen Gewerbes oder von bestimmten Geschäften bestellt ist und zur Vornahme der Rechtshandlungen ermächtigt ist, die der Betrieb des Gewerbes bzw. die Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen. Für die Vertretung vor Gericht benötigt der Handlungsbevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht.
Im Zusammenhang mit dem persönlichen Erscheinen vor Gericht stellt sich immer wieder auch die Frage, was gilt, wenn ein Organ oder Prokurist nur Kollektivunterschrift hat. Diesfalls ist es nicht erforderlich, dass zwei Organe oder Prokuristen an die Verhandlung gehen. Es genügt, wenn ein kollektiv Zeichnungsberechtigter mit der Vollmacht eines anderen einzeln oder kollektiv Zeichnungsberechtigten zur Verhandlung erscheint.
Diese Regeln einzuhalten, ist essentiell. Wer sie missachtet, hat gravierende Konsequenzen zu befürchten, bis hin zur Verwirkung seines Anspruchs (namentlich in Mietangelegenheiten). Daher lohnt es sich, bei Vorladungen, welche persönliches Erscheinen verlangen, besonders vorsichtig zu sein.