Mobbing am Arbeitsplatz: Pflichten und Handlungsspielräume der Arbeitgeberin
Mobbing am Arbeitsplatz ist ein Thema, das Gerichte, die Fachwelt und die Allgemeinheit regelmässig beschäftigt. In arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen ist der Mobbing-Vorwurf schnell zur Hand. Wo es tatsächlich zu Mobbing kommt, stellt dies für die betroffenen Arbeitnehmenden häufig eine starke Belastung dar, die sie aus der Bahn werfen und schwer treffen kann. Für die Arbeitgeberin ist es regelmässig eine Herausforderung, in häufig alles andere als klaren Situationen zu handeln. Sie ist verpflichtet, ihre Mitarbeitenden vor Mobbing zu schützen. Sie kann schadenersatzpflichtig werden, wenn sie dies nicht tut. Arbeitgeberinnen sind daher gut beraten, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen, bevor es im Betrieb aktuell wird.
Nicht jede Eintrübung des Arbeitsklimas und auch nicht jeder Arbeitskonflikt ist Mobbing. Mobbing setzt ein systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten voraus, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll. Es kann von Arbeitskollegen ebenso ausgehen wie von Vorgesetzten. Im letzten Fall kann die Abgrenzung zwischen korrektem und unzulässigem Verhalten der Vorgesetzten gegenüber den Mitarbeitenden schwierig sein. Der Schutz vor Mobbing kann aber selbstverständlich nicht bedeuten, dass die Arbeitgeberin ihre berechtigten Interessen nicht mehr wahrnehmen kann. Es kommt hinzu, dass es auch am Arbeitsplatz für Probleme meist zwei braucht und in manchen Fällen der Mitarbeitende, der Mobbing geltend macht, an den Problemen nicht ganz unbeteiligt ist. Psychische Belastungen, die mit Mobbing-Situationen häufig einhergehen, können zudem häufig durch andere, nicht arbeitsbedingte Faktoren oder eine psychische Disposition mitverursacht oder verstärkt werden.
Die Arbeitgeberin ist von Gesetzes wegen zur Fürsorge gegenüber ihren Arbeitnehmenden verpflichtet. Dies bedeutet, dass sie eine sichere Arbeitsumgebung schaffen muss. Mobbing sollte soweit möglich schon im Ansatz unterbunden werden. Werden Mobbing-Vorwürfe erhoben, ist ihnen nachzugehen und angemessen darauf zu reagieren. Sind die Vorwürfe gerechtfertigt, sind geeignete Massnahmen zu ergreifen, um das Mobbing zu beenden und weitere Vorfälle zu verhindern.
Für die Arbeitgeberin ist es ratsam, bereits präventiv aktiv zu werden, um das Risiko von Mobbing zu reduzieren. So können Richtlinien zum Verhalten am Arbeitsplatz und gegenüber Arbeitskollegen verfasst und unter Umständen Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte durchgeführt werden. Werden Mobbing-Vorwürfe erhoben, sollte rasch reagiert und das Gespräch mit den involvierten Mitarbeitenden gesucht werden. Sobald der Sachverhalt erhoben ist, sind die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, die zur Bereinigung der Situation beitragen. Dazu können gegebenenfalls auch externe Berater und Coaches beigezogen werden. Auch schon in kleineren Betrieben, kann es sich lohnen, Verfahren zum Umgang mit Mobbingvorwürfen zu implementieren und interne oder externe Beschwerdestellen zu bezeichnen und so eine möglichst neutrale und objektive Behandlung des Falls zu gewährleisten. Sofern die Mobbinghandlungen sexuelle oder geschlechtsspezifische Komponenten aufweisen und geschlechterdiskriminierend sind, kann im Kanton Zürich beispielsweise die der Justizdirektion angegliederte Fachstelle für Gleichstellung als kostenlose Anlaufstelle für die betroffenen Mitarbeitenden dienen.
Mobbing kann dazu führen, dass ein betroffener Mitarbeitender erkrankt und arbeitsunfähig wird. Die Arbeitgeberin ist diesfalls wie bei jeder anderen Krankheit gemäss Art. 324a OR während einer beschränkten Zeit zur Lohnfortzahlung verpflichtet; diesfalls sollten auch die Krankentaggeldversicherungen greifen. Kann der Arbeitnehmer nur in der aktuellen Arbeitsumgebung nicht mehr arbeiten und wäre er unter anderen Arbeitsbedingungen arbeitsfähig (sog. arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit), soll die Lohnfortzahlungspflicht nach einem Teil der Lehre gar zeitlich unbegrenzt gelten. Begründet wird dies damit, dass die Arbeitgeberin nicht die nötigen Vorkehren getroffen habe und sich deshalb im Annahmeverzug befinde. In dieser Allgemeinheit kann dies aber wohl kaum zutreffen. Wie so oft dürfte vieles von den Umständen des Einzelfalls abhängen.
Grundsätzlich kann das Arbeitsverhältnis auch in einer Mobbing-Situation gekündigt werden. Sofern sich die Situation nicht anders bereinigen lässt, kann die Arbeitgeberin aufgrund der Fürsorgepflicht gar verpflichtet sein, sich vom mobbenden Arbeitnehmer zu trennen. Für den Arbeitnehmer, der infolge Mobbings erkrankt, gilt demgegenüber wie bei jeder Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein zeitlich begrenzter Kündigungsschutz. Eine Kündigung, die während der Sperrfrist ausgesprochen wird, ist nichtig. Umstritten ist, ob die Sperrfrist auch bei der sog. arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit greift.
Entlässt die Arbeitgeberin das Mobbingopfer, besteht ein erhebliches Risiko, dass die Kündigung missbräuchlich ist. Die Kündigung ist trotzdem wirksam, doch kann die Arbeitgeberin verpflichtet werden, der Arbeitnehmerin eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen zu bezahlen.
Unterlässt es die Arbeitgeberin, die gebotene Schutzmassnahmen gegen Mobbing zu ergreifen, kann sie zudem schadenersatz- und genugtuungspflichtig werden. Erst recht gilt dies, wenn die Arbeitgeberin aktiv Mobbing betreibt. Insbesondere in schweren Fällen, in denen das Mobbing zu anhaltenden gesundheitlichen Schäden und zu völliger Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen führt, können die finanziellen Folgen für die Arbeitgeberin einschneidend sein.
Mobbing-Situationen können für die Arbeitgeberin somit erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Es empfiehlt sich daher, es gar nicht erst zu Mobbing kommen zu lassen, indem Wert auf ein gesundes Arbeitsklima gelegt und frühzeitig eingegriffen wird, wenn erste Anzeichen für eine potenzielle Mobbing-Situation zu erkennen sind. Stehen Mobbing-Vorwürfe im Raum, sollte die Arbeitgeberin sofort aktiv werden und Massnahmen ergreifen, die zur Entschärfung der Situation beitragen. Hilfreich kann es dabei sein, bereits heute Richtlinien und Verfahren zu definieren.