24. juin 2025

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt in einem kürzlich ergangenen Entscheid, dass Unternehmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Drittunternehmen beiziehen dürfen. Dabei müssen sie in der Auswahl, Instruktion und Überwachung die angemessene Sorgfalt anwenden. Nicht verlangt werden kann, dass sie nur mit dem « besten » Unternehmen zusammenarbeiten und die Auswahl, Instruktion und Überwachung des Personals des Drittunternehmens übernehmen. Im Einzelnen:

Sowohl nach Zivilrecht als auch nach öffentlichem Recht sind Unternehmen verpflichtet, ihre Tätigkeit sorgfältig auszuüben. Dies gilt insbesondere auch, wenn sie zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritte beiziehen. Eine der wichtigsten Rechtsgrundlagen hierfür ist die Geschäftsherrenhaftung in Art. 55 des Obligationenrechts. Gemäss dieser Bestimmung haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübungen ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursachen, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um den Schaden zu verhüten. Gemäss Rechtsprechung und Lehre ist der Geschäftsherr bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung seiner Arbeitnehmer und Hilfspersonen zur Sorgfalt sowie zu einer angemessenen Organisation verpflichtet. Dasselbe gilt grundsätzlich, wenn ein Unternehmen öffentlichrechtliche Pflichten einzuhalten hat.

In einem Urteil vom 20. Mai 2025 hatte das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, sich dazu zu äussern, welche Sorgfaltspflichten einzuhalten sind, wenn ein Unternehmen zur Erfüllung seiner öffentlichrechtlichen Aufgaben ein Drittunternehmen beizieht. Konkret ging es um die Kontrolle von Reisedokumenten durch Fluggesellschaften. Gemäss Art. 92 ff. des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) sind Fluggesellschaften verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die von ihnen beförderten Reisenden bei der Einreise in den Schengen-Raum über gültige Reisedokumente verfügen. Ist dies nicht der Fall, müssen sie für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen (Rücktransport, Verpflegung, Übernachtung). Zudem können sie mit einer Sanktion von CHF 4’000 pro beförderte Person belastet werden, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Kontrolle der Reisedokumente verletzen (Art. 92 ff. und 122a AIG). Keine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt vor, wenn das Luftverkehrsunternehmen nachweist, dass es alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um zu verhindern, dass es Personen befördert, die nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen (Art. 122a Abs. 3 lit. a Ziff. 4 AIG).

Im konkreten Fall wurde dem Luftverkehrsunternehmen vorgeworfen, dass die Reisedokumente von Fluggästen an fünf verschiedenen Destinationen auf dem amerikanischen Kontinent nicht mit der gehörigen Sorgfalt kontrolliert worden seien. Die Kontrolle der Reisedokumente erfolgte wie üblich beim Check-in. Ebenfalls wie üblich erfolgte der Check-in nicht durch das Luftverkehrsunternehmen selbst, sondern durch einen Ground Handler, der diese Aufgabe im Auftrag des Luftverkehrsunternehmens wahrnahm. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hatte das Luftverkehrsunternehmen wegen Verstössen gegen die Sorgfaltspflicht sanktioniert. An den Nachweis der Einhaltung der Sorgfaltspflichten stellte das SEM Anforderungen, die nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand zu erfüllen sind. Die Auffassung des SEM, dass für den Nachweis der Einhaltung der Sorgfaltspflichten zwingend ein Dokumentenbeweis erforderlich sei, lehnt das Bundesverwaltungsgericht ab. Es hält fest, dass der Nachweis durch sämtliche verwaltungsrechtlich zulässige Beweismittel erbracht werden kann (einschliesslich Augenschein und mündliche oder schriftliche Auskünfte). 

Das Bundesverwaltungsgericht kam zum Schluss, dass das Luftverkehrsunternehmen seiner Sorgfaltspflicht bei der Auswahl der Ground Handler nachgekommen sei, indem es jeweils einen auf den entsprechenden Flughäfen zugelassenen Ground Handler beauftragt hatte, der auch für zahlreiche weitere Luftverkehrsunternehmen tätig ist. Nicht verlangt werden kann, dass der « beste » Ground Handler ausgewählt wird. Auch die Sorgfaltspflicht bei der Instruktion war eingehalten worden, indem das Luftverkehrsunternehmen Vorgaben zum Schulungsinhalt der Ground Handler gemacht hatte und ein aktuelles Informationssystem zur Verfügung gestellt hatte. Dass es die Mitarbeitenden der Ground Handler selbst ausbildet, könne vom Luftverkehrsunternehmen nicht erwartet werden. Mit den jährlichen Audits und den vom Luftverkehrsunternehmen getroffenen Vorkehrungen im Falle von Verstossmeldungen gegen das AIG war das Luftverkehrsunternehmen auch seiner Sorgfaltspflicht bei der Überwachung der Ground Handler nachgekommen. Und schliesslich wurden mit der Verwendung der üblichen Infrastruktur auch die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zur Kontrolle der Reisedokumente getroffen. Das Luftverkehrsunternehmen hatte damit seine Sorgfaltspflichten erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht hob daher die vom SEM verfügten Sanktionen auf.

Schiller Rechtsanwälte vertrat in diesem Verfahren die Beschwerdeführerin. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2025, Verfahren Nr. A-1820/2023:  https://bvger.weblaw.ch/cache?guiLanguage=de&q=A-1820%2F2023&id=cdb1993a-69cc-4b39-a111-78a5629ca95f&sort-field=relevance&sort-direction=relevance

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