Bundesgerichtsurteile zur Auslegung und Anwendung von Ausschreibungsbedingungen

Mit Urteilen vom 15. September 2014 hat das Bundesgericht zwei Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben und die Zuschlagsentscheide der AlpTran­sit Gotthard AG (ATG) für die Vergabe der Bahntechnik für den Abschnitt des Ceneri-Basistunnels auf der Gotthardstrecke bestätigt. Gemäss den Ausschrei­bungsbedingungen waren für verschiedene Eignungskriterien "2 [bis max. 3] Re­ferenzen für Planung und Ausfüh­rung" verlangt. Die ATG vertrat die Auffassung, dass damit insge­samt zwei, höchstens drei Referenzen gemeint gewesen seien, von denen jeweils mindestens eine die Planung und eine die Ausführung umfassen sollte. Das Bundesverwal­tungsgericht kam dagegen zum Schluss, dass je 2-3 Re­ferenzen für Planung und Ausführung verlangt gewesen seien. Laut Bundesgericht hat das Bundesverwaltungsgericht damit in unzulässiger Weise ins Ermessen der Vergabebehörde eingegriffen. Es führte aus, dass die Ausschreibungsbedin­gungen so auszulegen und anzuwenden seien, wie sie von den Anbietern in guten Treuen verstanden werden konnten und mussten. Auf den subjektiven Willen der Vergabe­stelle komme es nicht an, doch verfüge sie sowohl bei der Formulie­rung als auch bei der Anwendung der Eignungskriterien über einen grossen Ermes­sens- und Beurteilungsspielraum, den die Beschwerdeinstanzen nicht unter dem Titel der Auslegung überspielen dürften. Von mehreren möglichen Auslegungen habe die gerichtliche Beschwerdeinstanz nicht die ihr zweckmässig scheinende auszuwählen, sondern die Grenzen des rechtlich Zulässigen abzustecken. Insge­samt war nach Auffassung des Bundesgerichts der Auslegung der Vergabestelle der Vorzug zu ge­ben. Bemerkenswert ist, dass das Bundesgericht, um das Verfahren sofort zum Abschluss bringen zu können, gleich selbst diejenigen Referenzen prüfte, die vom unterliegenden Anbieter in Frage gestellt worden waren. Es kam zum Schluss, dass die Zuschlagsempfängerinnen sämtliche Eignungskriterien erfüllten. Das Bundesgericht bestätigte zudem, dass es in Submissionssa­chen zwar nur zuständig ist, wenn die Schwellenwerte gemäss GATT/WTO-Abkommen bzw. dem bilateralen Abkommen CH/EU erfüllt sind und sich eine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung stellt, dass es aber sämt­liche sich stellenden Rechtsfragen prüft, wenn diese Vorausset­zungen erfüllt sind. Hervorzuheben ist, dass das Bundesgericht in dieser hochkom­plexen Angelegenheit schon nach einem halben Jahr einen endgültigen Entscheid fällte und die Sache beschleunigte, indem es seinen Entscheid zunächst ohne Be­gründung erliess. Der begründete Entscheid wurde Ende Dezember 2014 zugestellt und publiziert (Urteile vom 15. September 2014, 2C_380/2014 und 2C_383/2014).

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